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 Der Einsiedler - Oldie-Markt - N° 364 - November 2010



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Obwohl sich Robert Wyatt fast völlig aus der gängigen Popmusik-Szene zurückgezogen hat, liefert er dennoch seit den 80er Jahren immer wieder völlig eigenständige Alben ab.






Keine Frage: Wenn ein Popmusiker Grund hätte, verbittert zu sein, dann wäre es Robert Wyatt. Rausgeschmissen aus der Band, die mit ihm eines ihrer definitorischen Elemente verlor, querschnittgelähmt wegen der eigenen Dummheit und von seiner Plattenfirma aus schierer Ignoranz um einen weiteren Hit gebracht: Musiker sind aus weniger wichtigen Gründen zu unzugänglichen Eremiten geworden. Doch Robert Wyatt war und ist anders. Er hat es auch dank seiner Freundin Alfreda Benge, die selbst Künstlerin ist (und bis heute seine Cover gestaltet), gelernt, nicht nur mit seiner Behinderung umzugehen, sondern tatsächlich in der Popmusik aktiv zu bleiben.

Dabei sah es Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre nicht danach aus, als ob er in der Lage wäre, abgesehen von Sessionaktivitäten wirklich im Geschäft zu bleiben, nachdem Virgin seine Coverversion von Yesterday Man ablehnte, obwohl er zuvor mit I'm A Believer einen richtigen Hit gelandet hatte. Begründung: Die Version sei zu gewöhnlich gewesen. Aber ein Musiker wie Wyatt lässt sich nicht so leicht unterkriegen und besitzt zudem mit seiner Stimme ein Organ, das einfach im Gedächtnis bleibt.



Dennoch kam das Angebot von Rough Trade 1980, er könne, wenn er wolle, drei Singles mit Material seiner Wahl aufnehmen, überraschend. Es hatte vor allem damit zu tun, dass Wyatt einer der wenigen Musiker war, der in den 60ern angefangen hatte, Musik zu machen, der Punk und die New Wave offen begrüßte und von ihr inspiriert wurde.

Doch die Singles, die dann tatsächlich erschienen, hatten vor allem damit zu tun, dass er seinen Horizont in den vorhergegangenen Jahren erweitert hatte. Auf zwei Lieder der Hoffnung aus Südamerika (Arauco / Caimenera) folgte ein Mix eines Chic-Covers mit einem Jazz-Klassiker (At Last I'm Free / Strange Fruit), ehe er seine politische Überzeugung mit einem Lied aus dem zweiten Weltkrieg dokumentierte (Stalin Wasn't Stallin' / Peter Blackman: Stalingrad). Tatsächlich war Wyatt seit den späten 70er Jahren Mitglied der kommunistischen Partei Englands, was er vor kurzem so kommentierte:

"Ich bin heute kein Kommunist mehr, weil es keinen mehr gibt. Es wäre, als ob man sagen würde, ich bin Jugoslawe. Die Sache, an der ich am meisten hänge, ist die alte linke revolutionäre Romantik, die meine Fantasie in den 70er und 80er Jahren gefangen nahm. So anachronistisch wie das sein mag ist es wahrscheinlich tiefer in mir verankert als der ganze Kunst - und Musik - Kram. Es ist mir geblieben und er bedeutet mit eine Menge." Angesichts dieser Aussagen war es nicht überraschend, dass Wyatt seinen zweiten Hit mit einer Single landete, die Elvis Costello gegen den Falkland-Krieg geschrieben hatte: Shipbuilding landete in England auf einem völlig überraschenden 35. Platz.

Prompt fasste Rough Trade die Singles auf dem Album Nothing Can Stop Us zusammen - inklusive der vierten Single, der Cutler-Coverversion Grass, bei der erneut nur die A-Seite von Wyatt kam - von dem tatsächlich zwei Versionen erschienen: Die eine 1982 ohne den Hit, die andere ein Jahr später mit ihm.



Damit war Robert Wyatt wieder im Geschäft und das brachte ihm zunächst den Auftrag für die Filmmusik zu der Dokumentation The Animals Film ein, der nur einen Monat nach dem Singles-Sampler erschien. Danach war erst einmal wieder Pause, doch das hatte vor allem damit zu tun, dass Wyatt im Studio an einer neuen Platte bastelte. Zunächst erschien 1984 die 12"-EP Work In Progress, auf der seine Version des Peter Gabriel-Hits Biko bewies, wie gut er darin war, die Kompositionen anderer zu interpretieren.

Old Rottenhead 1985 jedoch zeigte, dass er nach wie vor völlig unberechenbar war. Denn vor sparsamen Hintergründen, die hauptsächlich durch Tasteninstrumente und das Schlagzeug gebildet wurden, dominierten Lieder und seine Stimme. Damit feierte er zwar nicht den großen Erfolg, den er mit Shipbuilding erreicht hatte, aber die LP war definitiv ein künstlerisches Statement, das seine widerborstige Individualität unterstrich, frei nach dem Motto: Ob es dir gefällt oder nicht, aber das ist meine Musik. Klar, dass mit einer solchen Einstellung ein Vertrag von einer großen Plattenfirma eher unwahrscheinlich war, doch das kümmerte Wyatt wenig: „Es könnte mir nicht gleichgültiger sein.



Ich habe einen Job Musik zu machen, aber ob es der Industrie gut oder weniger gut geht, ist mir absolut egal." Bei einer solchen Einstellung kann es nicht überraschen, dass seit Old Rottenhead gerade drei Produktionen mit neuem Material erschienen sind: Dondestan 1991, Shleep 1998 und Comic Opera 2007. Das ist, verglichen mit der üblichen Produktionsrate aktiver Künstler und Bands nicht gerade viel, aber dafür ist jedes dieser Werke eines, das man lange anhören kann. Das liegt natürlich zum einen daran, dass er am liebsten alleine arbeitet. Es könnte aber auch Resultat zweier Dinge sein, die er in einem Interview 2008 eingestanden hat. „Ich habe nach wie vor zweimal in der Woche Alpträume, die mit Konzerten zu tun haben. Ich trank mich gewöhnlich unter den Tisch, um genügend Mut zu haben, aufzutreten. Sogar ins Studio zu gehen ist ein bisschen wie einen Gig zu spielen. Ich werde nervös." Doch wichtiger für sein Leben war, dass er seit seiner Jugend von Depressionen geplagt wird. Tatsächlich machte er schon mit 16 Jahren einen Selbstmordversuch und diese Traurigkeit hat sein Leben bis heute geprägt: „Depressionen haben mein Leben bestimmt und tun das immer noch. Ich weiß nicht genau, was das Wort bedeutet, aber wenn Ich wünsche mir wirklich, ich wäre tot und nie geboren worden den Kern trifft, dann ja. Ich mag das Leben, aber ich kann mir nicht vorstellen zu denken es ist großartig, zu leben.

Ich glaube, Leben ist etwas, das man bewältigen muss. Ehrlich gesagt, beneide ich die Toten. Ich will nicht tragisch klingen, aber ich finde das Leben einfach sehr hart." Bei dieser Einstellung kann man ersehen, was für eine Leistung seiner Frau Alfreda Benge es sein muss, mit ihm zusammen zu sein. Gleichzeitig muss man aber auch die Zähigkeit und die Vision des Mannes bewundern, der in seiner Karriere eigentlich keine schlechte Platte veröffentlicht hat und der nach wie vor ein unverbesserlicher Individualist geblieben ist. Das zeichnet ihn vor allem anderen aus.

Fortsetzung: Hugh Hopper


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[Etrangement, cet article uniquement consacré à Robert Wyatt est illustré par 3 pochettes de disque de Kevin Ayers. Il comporte également un tableau de références discographiques de Hugh Hopper et Karl Jenkins (ci-dessous).]






       
     
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