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Ist es noch Wyatt ? - Spex
- Oktober 1991
(bis zur Weltrevolution...)
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Lange hat Robert Wyatt, der große, alte Raucher und Rollstuhlfahrer der britischen Linken geschwiegen. Doch als er seine Stimme wieder erhob (siehe SPEX 9/91), da war sie süß als wie der Gesang stalinistischer Sirenen.
TEXT: MICHAEL RUFF
Ein Date mit Robert Wyatt provoziert die Rekapitulation mehrerer Schichten Vergangenheit und eines Gefühls der Stringenz-oder besser der Erinnerung daran. In einer Zeit, wo jeder allzugern bereit ist, Geschichte(n) für sich umzuschreiben, die Facts von Gestern und Heute hinter unheimlicher Zukunftsangst verschwinden und so viel widersprüchliche Information in den internationalen Datenbänken gespeichert ist, daß die zehnfache Erdbevölkerung jeden Tag am Computer sitzen müßte, um alles auszuwerten, taucht plötzlich ein einsamer Punkt auf, an dem eine lange Linie hängt. Ein seltener Fall. Soft Machine, Bruch der Wirbelsäule. "Stalin Wasn't Stalling" sind nur einige Marken darauf. Die neueste ist "Dondestan".
Der Mann sitzt zurückgelehnt in seinem Rollstuhl, raucht ununterbrochen und ist sichtlich erfreut, nach seiner Meinung gefragt zu werden. Das Hotelzimmer ist ein vernetztes, elektrisches Robot-System, eins der wenigen in dieser Riesenstadt, das auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist und auf jeden Fingerzeig reagiert. Technischer Fortschritt macht's möglich. "Wie Charlie Chaplin in 'Moderne Zeiten'", witzelt sein Bewohner. Zusammen mit Lebensgefährtin Alfreda Benge wurde Robert Wyatt für eine Woche in diesen Raum gebucht, um sich anläßlich seiner neuen Platte der internationalen Presse zu stellen. Überraschend großes Interesse an einem Mann, dessen höchster Bekanntheitsgrad ca. 20 Jahre zurück liegt und der sich in den Achtzigern outputmäßig auf ca. zweieinhalb Plattenlängen beschränkte. Gelegenheit also, unter kalauernden Überschriften wie "Wyatt Riot" oder "Wyatt Line Fever" etwas über den Zusammenhang von fast entrückt-schöner Musik und kommunistischer Gesinnung anzustellen, wie es nicht nur die Londoner Wochenblätter gern tun. Da er kaum in der Lage ist, all die alten Plätze dieser Stadt, in der er wichtige Phasen seines Lebens zubrachte, auf eigene Faust zu besuchen, beschränkte sich sein kurzer Ausgang auf den für ihn wichtigsten Ort, Ronnie Scott's Jazz-Club in Soho. Es war dort, wo der Mann Anfang der Sechziger Jahre alles über Melodie, Improvisation und emotionale Tiefe instrumentaler Jazz-Musik lernte, was ihm von der Plattensammlung her noch fehlte. Als The Soft Machine sich Mitte der Sechziger formierte, verarbeiteten sie Jazz-Einflüsse in bislang ungehörter Weise. Ungleich z.B. zur Graham Bond Organisation hatten sie keinen nennenswerten R&B-Background und bedienten sich auch nicht des(damals populären)Tanzbeats, auf dem sich leicht alle möglichen Erkennungsmelodien der Musikgeschichte verteilen ließen. Es schien, als hätten sie aus der Jazz-improvisation die Möglichkeit entwickelt, Melodien endlos zu machen, anstelle sie auf ein paar Takte festzulegen. Und doch waren sie immer noch eine Pop-Band. Obwohl sie mit die ersten waren, die sich weigerten, in dieser Zeit, als "klassische Pop-Songs" gleich dutzendweise geschmiedet wurden, Pop-Singles abzuliefern, experimentierten sie fröhlich mit simplizistischen Pop-Themen, verstärkten und verzerrten ihre Instrumente wie eine psychedelische Rockband, waren lebendiger Bestandteil der Londoner Club-Szene, hatten ein professionelles Management und tourten Amerika mit Jimi Hendrix, obwohl sie nichtmal einen Gitarristen in der Band hatten. (Kevin Ayers, am Anfang kurz dabei, spielte live Baß. Wyatt haßt im übrigen fast alle Gitarristen außer Phil Miller). Zu sagen, daß Wyatt als Drummer und Sänger wichtigster Mann der Band war, wäre sicher falsch. In ihrer besten Phase waren sie ein perfekt ausgepegeltes System aus kühler Spiel-lntelligenz (Keyboarder Mike Ratledge), neutönerischen Klangexperimenten (Bassist Hugh Hopper) und Wyatts zwischen Naivität und Respektlosigkeit wechselnder Liebe zu allem, was in der Musik das Gefühl anspricht bzw. Dasein mit Leben erfüllt. Glaubt man Schilderungen von damals, so war Wyatt der Partykönig, der zwischen ein paar Drinks alle Anwesenden miteinander bekannt machte. 1974 sah ihn eine dieser Parties beim Versuch, die Regenrinne hinabzuklettern, von der Höhe des dritten Stocks abstürzen. An seiner Musik änderte dieser Unglücksfall kaum etwas. Soft Machine hatte er nach der vierten LP verlassen ("Wurden zu kompliziert"), seinen eigenen Stil in der Gruppe Matching Mole (2 LPs) und dem ersten Solo-Werk "The End Of An Ear" ausgearbeitet. "The Moon In June" war schon 1970 (auf Soft Machines Do-LP Thirds") erschienen und hatte Wyatts Stil auf Jahre hin definiert: ein Song, der alle Sensibilitäten balladesker Schönheit zeigte, während das musikalische Arrangement nur das Ziel verfolgte, jedes einzelne Gefühl jeder einzelnen Zeile zu transzendieren und seine Umgebung auf Eindrücke abzutasten, die in keiner festen Songstruktur einen entferntesten Platz gehabt hätten. So wurde der Song zu einem 18minütigen Spiel, das die Basis des Wyatt'schen Heimweh-Monologs mit einer Musik zusammenbrachte, die gleich eines Museums-Rund-gangs jeden Aspekt des Gefühls zur künstlerischen Überwältigung freigibt und aus melancholischen Stimmungen eine farbige Erlebniswelt macht. Diesen Stil perfektionierte er auf "Rock Bottom" (1974, inkl. des mächtigen "Sea Song", an dem sich vor einigen Jahren mal Tears For Fears versuchten).
Während Wyatts Aufnahmen bis zu diesem Zeitpunkt eng mit seiner Herkunft, der Canterbury-Scene (Softs, Caravan, Egg, Hatfield & The North) zusammenhingen, markierte "Ruth Is StrangerThan Richard" (1975) einen Wechsel in seiner Wahrnehmung in Richtung Third World Music (besonders Afro-Jazz im Stile von Chris McGregor/Dudu Pukwana, also Südafrika bezogen) als Ausdruck des weltweiten Kampfes gegen Unterdrückung und für bessere Lebensumstände. Robert und Frau Benge wurden Mitglied der kommunistischen Partei, und er prägte den Satz, daß es mehr Spaß machen würde, auf Partei-Meetings zu gehen als mit Musik sein Geld zu verdienen und zog sich aus dem Business zurück.
Wyatts kommunistische Denkungsweise ist im Grundsatz geprägt von der Erkenntnis, daß die große Mehrzahl der Erdbewohner weder Zugang zu fließend Wasser, regelmäßigen Mahlzeiten oder gar einfachster Bildung hat. Ein Faktum, daß bei allen technologischen wie philosophischen Fortschritten seit der Kolonialzeit auf die lange Bank geschoben wurde. Berühmte Sätze wie "I'm not a broad liberal thinker,
It's funny to hear people talk about post-cold-war-this and post-history-that", "I have always known I could kill. I am not a Christian" brachten ihm den Ruf eines genuinen Betonkopfs, waren aber eher Ausdruck einer Persönlichkeit, die auf ideologischem Gebiet eher naiv, sprich nahe am (linken) common sense funktioniert und insofern wenig Verständnis für die ideologischen Probleme einer Linken hat, die meint, auf jede winzige soziokulturelle Verschiebung in den Metropolen reagieren zu müssen. Jedenfalls entledigte sich Wyatt des Gedankens der eigenen Wichtigkeit auf seine Weise und ließ erst 1980 wieder von sich hören. Die Form, die er für seinen Wiedereintritt wählte, ergab sich aus dem Zeichen der Zeit wie aus dem Schrecken, der ihn durchzuckt haben muß, als er beim Twiddeln am Radio-Weltempfänger plötzlich "The Moon In June" (oder war's was anderes?) zu hören bekam, und zwar in einer Sendung von Radio Free Europe! Also machte er eine Reihe 7"-Singles für das damals super-glaubwürdige, super-dedicatete Rough-Trade-Label, die an seinen überraschenden Charts-Erfolg von 1974, einer Version des Neil-Diamond/Monkees-Hits "I'm A Believer", anknüpften, Songs, die im Gegensatz zu seinen bisherigen Eigenkompositionen jedweder Ambivalenz und Vieldeutigkeit abhold sind und in keinster Weise von der politischen Rechten für ihre Zwecke mißbraucht werden können. In seinen Augen: kubanische Traditionals, ein amerikanisches Anti-Hitler-pro-Stalin-Singspiel, Südstaaten-Blues, Chic, Ivor Cutler, später noch ein triefiges Elvis-Costello-Arbeiterlied und Peter Gabriels Ode an Stefan Biko. Obwohl gegen Ende der Serie zu leichter Plattheit ausgewalzt, funktionierte das Prinzip der klassisch-musikalischen Interpretation oft mißbrauchter Popsongs wie ein Schlüssel in Sachen persönlicher Wahrheitsfindung zwischen zur Massenrezeption gedrillten Pop-Manipulationen und der ohne Zweifel vorhandenen, menschenverbindenten Wahrheit genialer Hits.
"Mich inspirierte die Idée, vor einem Backing-Beat
den Text lediglich zu ohne dabei an Melodie zu
denken, ähnlich wie ein Rapper das tut."
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1985 kam "0ld Rottenhat" und zeigte wieder kühles Desinteresse an allem außer den Thesen des amerikanischen Linguisten Noam Chomsky, einem Mann, der prima erklären konnte, warum in den Achtzigern Kapitalismus Pop war und in den Siebzigern nicht. Danach: Abwesenheit. Das Wyatt'sche Prinzip
Es ist nicht die Abwesenheit von Stampfrhythmen, Belly-Bassläufen und grundlegenden Gitarrenakkorden/offensichtlichen Samples, die Wyatts Musik-nicht nur seine eigene, auch die alles individuellmuckerhafte wegstreichenden Bearbeitungen von Fremdkompositionen - gänzlich von allen Übereinkünften zwischen Musikindustrie, Medien und Konsumwilligen verschieden macht. Es ist seine Stimme, und genau wie jemand, der nicht viel mehr als seine Stimme und seine Überzeugung besitzt, macht er die Musik seiner Stimme untertan, läßt Keyboards klingen wie die kühlere Schicht unter dem warm austretenden Lüftchen seiner Worte und Klangmalereien. "Dondestan" (das spanische "Wo sind sie"/Donde, auf ein Stammesgebiet komprimiert) ist in diesem Sinne seine Republik, und nur wenige ihrer Gebiete überschneiden sich mit dieser (metropolischen Abteilung der) Welt. Ich persönlich halte das für die schönste Musik dieses Planeten. Sie erweckt den Wunsch in mir, mich endlos ihrem Zauber hinzugeben und weisen Worten zu lauschen, sei es unter dem Vorzeichen, daß am Ende aller Klassenkämpfe das Paradies erreicht sein wird oder dem anderen, das besagt, daß im Falle einer drohenden Niederlage der heutige Zustand allemal genießenswerter ist als der morgige.
Die Wurzel dieser blätternden, blätterhaften Schönheit zwischen Klang und Analyse liegt in dem Wyatt'schen Widerspruch, daß politische Überzeugung nichts mit Handwerk zu tun hat, die mögliche Verwendung des Ergebnisses des Handwerks dagegen sehr viel mit der Überzeugung.
Eine Stimme, die allein unvergleichlich, im Multitrack-Duett unmindblowing klingt. Eine Stimme, die das britische Alphabet, fremde Sprachen, Popsongs und Propaganda durchfühlt hat. Gibt es Schönheit im Gesang eines Kommunisten? Sind Worte Schall und Rauch? Wie fühlt es sich an, feste Texte zu singen?
Wyatt: "Entscheidend war für mich die Erkenntnis, daß die menschliche Stimme keineswegs wie ein Instrument anzusehen ist. Im Jazz-Bereich - und der wichtigste Einfluß war für mich instrumentaler Jazz-herrscht die gegenteilige Einschätzung vor, aber ich bin der Meinung, daß die Stimme etwas ganz anderes ist. Sie ist nicht mit Trompeten oder Klavieren zu vergleichen, denn jeder von uns kann sie benutzen. Wenn ich eine Stimme höre, erwarte ich ganz andere Dinge. Ich erwarte Worte, und ich habe mich dazu entschieden, für sie Verantwortung zu übernehmen, und nicht so zu tun, als seien sie ein Sound unter vielen. Mein Ohr konzentriert sich automatisch auf die Stimme. Es geht mir nicht um Botschaften, aber wenn ich den Mund (benutze hier den Ausdruck mouth, der im Englischen sowohl Mund wie Sprache bezeichnen kann, Anm.d. Verf.) benutze, will ich Worte benutzen, und sie müssen richtig sein. Das funktioniert oftmals besser, wenn es nicht meine eigenen sind.
SPEX: "Dondestan" ist Plattentitel wie auch Bildüberschrift für Alfredas Cover-Gemälde. Was haben beide miteinander zu tun?
"Das Bild zeigt mich und Alfie, wie wir in einem Kaninchenstall von Fremdenzimmer den Winter an der spanischen Mittelmeerküste verbringen, ein paar Meilen südlich von Barcelona. Das war Ende der Achtziger, als ich einige Beiträge für das katalanische Radio zu machen hatte. Es war Winter, ein verlassenes Geisterdorf mit hunderten herrenloser Viecher, die einmal gekauft, dann verlassen darauf warteten, daß jemand sich ihrer annimmt. Tja, und dann waren ausgerechnet wir da, die unser halbes Geld dafür ausgaben, die Tiere zu füttern und impfen zu lassen undsoweiter. Wo waren all die Menschen? Wir sprachen einen der wenigen verbliebenen Dorfbewohner darauf an und der meinte, daß sie wenigstens keinen Verein gegen Gewalt an Kindern benötigen würden. Da setzen sie andere Prioritäten als wir in England."
Der islamische Einfluß: In Europa ist Spanien das einzige Land, wo ein erwachsener Mensch unbeachtet im Straßengraben verrecken kann (Christentum die einzige Religion, die ausdrücklich von Liebe redet?)
"Richtig, ein Flamenco-Sänger klingt wie ein Koran-Sänger. Es gibt eine Theorie, die das berühmte 'Ole' auf 'Allah' zurückführt ('Hallo' übrigens auch, Anm.d. Verf.). Für uns war es das Land, in dem wir uns in unserer Identität am wenigsten sicher fühlen konnten."
Das Cover-Gemälde scheint mir trotz aller formalen Richtigkeit ein störendes Element zu beinhalten. Im Gegensatz zu ihrer Gestaltung von "Old Rottenhead" scheinen die dargestellten Dinge und Personen Ausdruck zu zeigen, Position zu beziehen. Das setzt sich auch in der Musik fort. Der aufstörendste Song ist wahrscheinlich "Shrinkrap"...
"Ein Text von Alfie, in dem sie sich über teure Therapien und über Selbstmitleid als Weg zu persönlicher
Anerkennung lustig macht. Mich inspirierte die Idee, vor einem Backing Beat den Text lediglich zu sprechen, ohne dabei an Melodie zu denken, ähnlich wie Rapper es tun. Wie vielleicht zu hören ist, war das nicht unbedingt eine bewußte Entscheidung - den gesamten Song hat eigentlich der Brandy geschrieben, dieser billige dreijährige spanische. Zum Schluß saß ich am Klavier und probierte ein paar Läufe aus. An denen habe ich bis zum Schluß nichts mehr geändert. Ich wollte dies Gefühl des Ausprobierens und der Freude daran erhalten."
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Die Platte wirkt insgesamt wie in zwei Teile geteilt. Während der zweite Teil sehr sprunghaft ist, wirkt der erste eher pittoresk...
"Das mag damit zusammenhängen, daß Alfies Texte bescheidener sind als meine. Was meine angeht, so akzeptiere ich jederzeit den Einwand, sie würden arrogant wirken. Alfies sind das Gegenteil, obwohl unsere Ideen, die Welt betreffend, sehr ähnlich sind. Sie beschreibt einfach detailliert, was sie gesehen hat. Die beiden Nonnen aus 'Worship' sind wirklich dortgewesen, und eine von ihnen kauerte sich nieder. Das war's. Und sie wußte nicht einmal, daß ich den Text für einen Song verwenden würde, aber da ich dabei war, als sie ihn schrieb, fühlte ich mich als Teil der Lyrik. Mein Problem ist ja immer, daß ich viel mehr Musik schreibe als Texte. Da sich meine Ideen über die Jahre kaum verändert haben, fällt mir selten mal ein neuer Text ein."
Mir scheinen ihre Texte sehr viel mit Erlebnissen in der Natur zu tun zu haben, wozu mir zwei Dinge einfallen: ein Timothy-Leary-Satz aus den
Sechzigern, wo er feststellt, daß Menschen, die
an die Kraft der Natur glauben, meist Sozialisten
sind, und die heutige Erkenntnis, daß niemand
mehr an die Kraft der Natur glaubt, dafür jeder
meint, er müsse sie beschützen.
"Wenn Menschen von Natur sprechen, dann meinen
sie meist lebendige Dinge. Bei Alfie ist das anders. Sie
kann auch eine weggeworfene Plastiktüte bemitleiden,
was doch etwas ziemlich besonderes ist. Sentimental
würde ich das jedenfalls nicht nennen."
Eine Stimme, die allein unvergleichlich, im Multitrack-Duett unmindblowing klingt. Eine Stimme, die das britische
Alphabet, fremde Sprachen, Popsongs und Propaganda durchgefühlt hat. |
In 'Worship' oder 'Catholic Architecture' wird
Natur als etwas dargestellt, das dazu geeignet
ist, menschliche Standpunkte und Symbole zumindest zu relativieren.
"Sicher, wir konnten die ganze Zeit diese kleinen
Dramen am Strand beobachten. Ehrfurchtgebietende
Sonnenuntergänge, verschwindende Fußspuren... eine
immense, aber sanfte Gewalt."
Nach dieser Formulierung muß ich fragen, ob du
diese Wahrnehmungsweise für eine spezifisch weibliche hältst?
"Möglich. Eine interessante Idee. Muß ich mal drüber nachdenken, haha. Ich dachte immer, das seien nur unsere Gefühle, aber vielleicht steht sie in Verbindung zu einem kollektiven weiblichen Gefühl, das mir verschlossen ist."
Kommen wir zum harten Stoff. "CP Geebies" ist wohl das "Wo sind sie?" im Hinblick auf die Kommunistische Partei?
"Auch als langjähriges Parteimitglied hat mir die Situation irgendwie Vergnügen bereitet, die Partei in einem kompletten Durcheinander von Ausflüchten, Entschuldigungen und Tarnfarben im Sande verlaufen zu sehen. Das war der andere Grund, die Platte 'Dondestan' zu nennen. Auf der ersten Seite geht es um Einzelheiten, auf der zweiten deckt sie alles ab, was uns zur Zeit beschäftigt, Sorgen macht oder zum Lachen bringt."
Was ist der Zustand der Partei? Bist du überhaupt noch Mitglied?
"Nein. Sie hat mich verlassen, haha. Vor Jahrzehnten dachte ich immer, ich sei der letzte Hippie, aber das stimmte nicht. Sie sind heute überall. Jetzt bin ich vielleicht der letzte Kommunist. Aber das stimmt auch nicht. Es gibt Aktivitäten überall im Land, und ich kann nicht einmal behaupten, von allen gehört zu haben. Aber es scheint, als ob es sehr viele Menschen gibt, die mir verwandte Ideen vertreten. Sie wissen nur nicht immer, daß es kommunistische Ideen sind. Also mache ich mir um das Fortbestehen der kommunistischen Idee keine Sorgen. Ein Problem ist nur die Organisation. Die Tageszeitung 'Morning Star' existiert noch und ist die einzige Alternative zur herrschenden liberal-konservativen Presse. Aber sie ist so isoliert, daß sie sich weder eigene Photographen noch Auslandskorrespondenten leisten kann und daher ihre Informationen von denselben Agenturen beziehen muß."
In "Left On Man" beantwortest du den Vorwurf, du würdest Zusammenhänge zu stark vereinfachen, mit der Bemerkung, daß Albert Einstein das auch getan hätte. Steht der historische
Materialismus für dich auf einer Stufe mit der Physik?
"Es geht mir um die Feststellung, daß es Menschen gibt, die sich vor Vereinfachungen fürchten. Sie verstecken sich hinter einer angenommenen, unauflöslichen Komplexität der Dinge. Wenn ich sagen würde. die Palästinenser haben keine Heimat, würde die Antwort lauten, oh, der Nahe Osten ist ein sehr viel schichtiges Problem. Was ja auch stimmt, nur ist es kein Grund, zu einem Faktum keine Stellung zu beziehen. Einstein hat schließlich nicht die Komplexität der Physik beschrieben, sondern einen Strang Wahrheit in der Komplexität gefunden, die den Rest aufgehellt hat."
"Lisp Service" ist derjenige von dir selbst getextete Song, der den meisten Punch hat. Die Musik schrieb dein alter Soft-Machine-Kollege Hugh Hopper. Gibt es weitere Pläne?
"Hugh ist seit vielen Jahren einer meiner besten Freunde. Er schreibt die schönsten Melodien, die ich je gehört habe, aber da er selbst nicht singt, gibt es auch keine Texte. Ich würde gerne zu seiner Musik singen aber es gibt da ein Problem: Ich müßte die Texte heranschaffen, und da er meine politischen Überzeugungen nicht teilt, möchte ich unsere Freundschaft nicht dadurch gefährden, daß ich ihn mit eindeutigen Texte brüskiere."
Michael Ruff |