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 Soft Machine - Sounds - #15 - Februar 1970





Da sind zunächst einmal MIKE RATLEDGE, der alle Keyboard-Instrumente, vor allem aber eine besonders für ihn konstruierte Lowrey-Orgel spielt, die ihm größere Möglichkeiten als eine normale Orgel gibt, und Schlagzeuger ROBERT WYATT. Diese beiden bilden den Nukleus der Soft Machine. Zuerst war KEVIN AYERS der Bassist, der jetzt unter eigenem Namen, aber mit Hilfe der Soft Machine seine erste eigene LP gemacht hat (JOY OF A TOY - Harvest SHVL-763). Seit Anfang 69 ist an seine Stelle HUGH HOPPER getreten, der eine völlig neue Auffassung von der Rolle des Bassisten in die Gruppe gebracht hat (hören Sie ihn, wenn er seine Fuzz-Box gebraucht!) Gelegentlich spielte BRIAN HOPPER, Hugh's Bruder, Saxofon mit der Band.

Auch ein Nichtmusiker spielt eine wichtige Rolle: Mark Boyle, der für die Auftritte der Band eine eigene, spezielle Lichtschau vorführt.
"Mark Boyle's Licht-Präsentationen," so schreibt Mike Ratledge in einer kurzen Studie über Boyle "ermöglichen dem Publikum, den ästhetischen Aspekt unserer Musik wieder zuentdecken, der durch ständigen Gebrauch, also durch Gewöhnung leider versteckt war." Boyle arbeitet nur mit flüssigen Chemikalien, und Licht, Farbe und deren Bewegungen entstehen per Zufall.

Jetzt, da Soft Machine langsam Anerkennung (und besser bezahlte Jobs) findet, können sie sich einen alten Wunsch erfüllen, nämlich zusätzlich auch mit Bläsern zu arbeiten. Beim Festival in Amougies stellten sie sich zum ersten Mal mit der 4-köpfigen Bläsergruppe von Keith Tippett vor. Hugh erklärt: "Früher spielten wir wesentlich freier und improvisierten mehr. Doch jetzt interessiert uns Arrangieren und Komponieren, und wir haben jetzt eine Menge völlig arrangierter Passagen. Wir schreiben alle, auch Robert Wyatt, vor allem aber Mike Ratledge."

Da die Leute von Tipett in letzter Zeit immer öfter unabkömmlich sind, haben sich Soft Machine zwei andere Bläser geholt, mit denen sie nun ein Quintet bilden, das sich Ende Januar auch in Hamburg, Kiel, Hannover und Berlin zum ersten Mal einem deutschen Publikum vorgestellt hat: ELTON DEAN spielt Altsaxofon, und LYN DOBSON ist ein Multi-Instrumentalist, der zwar auf dem Tenorsax am besten ist, aber auch Flöte, Sopransax und Mundharmonika recht gut zu handhaben weiß.


Soft Machine ist eine der ganz wenigen Bands in der Popmusik, die nicht nur originell, sondern auch schöpferisch und inventiv ist. Ihre Musik kennt keine Kompromisse,sie ist einmalig und befriedigt selbst höchste Ansprüche (der zeitgenössische amerikanische Komponist Earle Brown liebt Soft Machine abgöttisch).

Soft Machine ist nicht nur eine eindrucksvolle Synthese verschiedener Elemente, die von Karl-Heinz Stockhausen und John Cage über Julian Hastings und Terry Riley, Ornette Coleman und Cecil Taylor, bis hin zur Rockmusik selbst reichen, Soft Machine ist vielmehr auch lebendiger Beweis dafür, daß zeitgenössische Popmusik, dort wo sie am besten ist, eine Kunstform ist, die obendrein noch den Vorteil hat, populär zu sein.

Aber die Popularität der Soft Machine in Ländern wie Amerika, Frankreich und Holland weitaus grösser als in ihrem eigenen Mutterland England. "In Städten wie Amsterdam sind die Leute neuen Klängen gegenüber aufgeschlossener als in Großbritannien," meint Hugh Hopper. So ist es auch kein Wunder, daß man Soft Machine öfter im Ausland als in England hören kann. Mike Ratledge, der in unserem Interview die Fragen von Mary Moore beantwortet, ist ein gebildeter Mann. 1964 gewann er an der Oxford-Universität den ersten Preis in Philosophie, später holte er sich dort noch Diplome in Psychologie und Philosophie. Neben Robert Wyatt wirkt er auf allen bisher erschienenen Platten der Soft Machine mit. Von den ersten 2 Singles (u.a. "Love Makes Sweet Music" & "Feelin' Reelin' Squeelin'") auf englisch Polydor, über die erste LP mit Kevin Ayers (1968, Probe CPLP 450O) bis hin zur bislang letzten LP mit Hugh Hopper (1969, Probe CPLP-4505). Als nächstes wird eine Live-LP geplant.





Ihr Sound ist erschreckend schwach. Sie besitzen nichts von den Dingen, die die Popmusik in den letzten 5 Jahren so interessant gemacht haben. Hendrix hat einen neuen, brennenden Sound gefunden, doch die Doors haben keinerlei Klangidentität. Musikalisch steuern sie nichts bei.

Wie passen Gruppen wie Jefferson Airplane in jene Bewertungsskala, die Sie vorhin genannt haben?

Jefferson Airplane ist eine große kultische Figur des amerikanischen Untergrunds. Ich hab sie niemals live gesehen, doch wahrscheinlich sind sie besser als auf ihren Platten, wo sie für meine Begriffe zu sauber klingen, und die Solisten nicht den Ruf bestätigen, den sie haben. Natürlich sind sie im Gesang sehr stark. Doch grundsätzlich existiert in Amerika die Tyrannei des Blues. Um Erfolg zu haben, muß man einfach Blues spielen. Man liest zwar in England in Zeitschriften über diese und jene amerikanische Avantgarde-Gruppe, doch wenn man sie dann hört, stellt sich heraus, daß sie nichts anderes als eine Bluesgruppe sind.

Sie haben als Jazzgruppe begonnen und sind dann zum Pop Übergegangen. Das ist nicht typisch, denn meistens starten die Gruppen als Bluesbands und enden mit einer avantgardistischen Reputation. Aber Sie sind niemals eine Bluesgruppe gewesen.

Diese Jazz-Pop Sache ist recht eigentümlich. Es gibt zwei Arten. Die Jazzgruppe, die sich zum Pop wendet, und die Popgruppe, die halbwegs zum Jazz kommt. Don Ellis und Gary Burton haben sich zum Pop hingewendet und in bestimmter Hinsicht dabei einiges verloren. Wogegen diese Gefahr bei Popgruppen, die zum Jazz kommen, nicht besteht. Jazzgruppen, die Pop machen, tendieren dazu, die elektrisierende Spannung, die der Popmusik eigen ist, zu zerstören. Sie tendieren dazu, einfach nur die Strukturen des Jazz zu simplifizieren, doch die Popmusik lebt ja gerade von ihrem gewaltigen Sound. Das ist es was Bands wie die von Gary Burton oder Don Ellis nie erreicht haben. Sie verlieren also von den Charakteristiken des Jazz sowie des Pop. Während Popgruppen, die Jazz spielen, niemals die Spannung des Pop einbüßen, falls sie gut sind. Bestes Beispiel ist Frank Zappas Gruppe. Da hat man nie das Gefühl, daß sie zwischen zwei Strömungen schwimmt. Sie haben Jazz-Solisten und sie benutzen Jazz-Strukturen, trotzdem haben sie den harten Rock-Sound. Spirit ist ein anderes Beispiel.

Besitzt Ihre Gruppe auch diesen harten Rock-Sound?

Er ist hart, ja, aber ich weiß nicht, ob unsere Musik Rock ist. Sie ist sehr individuell und sehr entstellt.

Wenn jemand, der Hits produziert, zu Ihnen käme und Sie bitten würde, für ihn aufzunehmen, würden Sie das machen?

Nein. Hauptsächlich weil man einen Hit nicht vorausberechnen kann. Es ist ein Glücksfall. Also mache ich nur das, was mir wirklich Spaß macht (Pause). Angenommen Jim Webb würde mit einem Song zu mir kommen. Das wäre ein besseres Beispiel. Mir würde es nichts ausmachen, davon eine Single zu machen, wenn der Song gut ist. Aber nicht als Soft Machine. Das wäre unfair gegenüber unserem Publikum. Doch ich liebe es sehr, mit anderen Leuten zu spielen, gleich welche Musik die machen. Falls der Bassist unserer Gruppe eine schöne Single machen wollte, ich würde mitspielen. Aber, nochmals, nicht als Soft Machine.

Wie reagieren Sie auf Pop-Journalismus?

Das Hauptproblem ist, daß alle Journalisten außerhalb von uns stehen, d.h., sie spielen kein Instrument. Wahrscheinlich haben sie niemals Pop gehört, bis die Beatles kamen. Meistens besitzen sie auch keine Musikkenntnisse. Ich würde es akzeptieren, wenn sie nur sagen würden, was sie mögen und was nicht. Aber unglücklicherweise wollen sie immer gleich musikalische Gründe angeben. So sind mittlerweile serienweise Beurteilungs-Klischees entstanden, die jeder x-beliebig benutzt. Da gibts in England Tony Palmer, der Dinge über die Cream gesagt hat, die sie überhaupt nicht besitzt. Er sagte, sie würden die Struktur der gewöhnlichen Popsong-Harmonien erweitern, während Cream in Wirklichkeit mehr als jede andere Band immer noch die alten Bluesriffs verwendet. Auch daß man zu viele Dinge der Avantgarde zurechnet, laste ich den Kritikern an. Es erinnert mich immer irgendwie an die Zeit als der Jazz aufkam, wo man, um Anerkennung zu erlangen, Jazzmusiker mit Stravinsky, Schönberg oder Bartok verglich. Jetzt sagen auch einige Leute wie Palmer, die Beatles wären besser als Schubert oder Schönberg. Sie reden damit genau an der Sache vorbei, denn das ist es nicht, was Pop so speziell, einzigartig und unterschiedlich zu diesen Komponisten macht.

Wie würden Sie also Soft Machine mit Ihren eigenen musikalischen Vorstellungen beurteilen?

Das ist schwer. Ich glaube, wir verwenden viele Dinge, die auch der moderne Jazz heute benutzt. Seit einiger Zeit spielen wir mit 13/4 oder 9/4 Takteinteilungen. Wir tendieren zu einer immer mehr, und später völlig, kompositorischen Basis, also weg vom zyklischen Songformat mit seinen regelmäßigen Wiederholungen. Weg von der immer wiederkehrenden AABA Form eines Songs. Hin zu Songs als komplette Kompositionen. Wir arbeiten mit Strukturen, die denen der klassischen Musik ähneln, wenn Sie so wollen, wo also 15 Minuten oder länger komponierte Sequenzen ineinander übergehen ohne sich zu wiederholen. Dennoch haben wir einen richtigen Pop-Sound, insoweit unsere Musik schnell, direkt ist und sich verschleißt. Meistens basiert ja Kritik auf diesem sinnlosen System des Vergleichens. Zu sagen, wir sind wie Coltrane oder Cecil Taylor, hilft niemandem wirklich unsere Musik zu verstehen. Es ist auch sinnlos, uns mit Leuten wie John Cage im Hinblick auf die Arbeitsmethoden zu vergleichen. Wir arbeiten nicht mit Zufallsmethoden wie I Ching oder IBM Computerkarten, oder mit Münzenwerfen und ähnlichem. Wir haben zwar von Zeit zu Zeit ein solches Zufallsstück geschrieben - wo jede Note und jede rhythmische Figur durch Zufall entstand -, doch das ist nicht unsere normale Arbeitsmethode. Eins unserer frühen Stücke, "We Did It Again", basierte auf dem Zen-Konzept, wonach etwas Langweiliges durch ständige Wiederholung am Ende als interessant empfunden wird. Dabei haben wir uns etwas von den Dingen beeinflussen lassen, die Terry Riley macht.

Aber manchmal klingt Ihre Musik tatsächlich wie die Leute, die Sie eben erwähnt haben.

Das mag manchmal zutreffen. Ich weiß, daß jeder in der Band zu irgendeiner Zeit einmal unheimlich auf Coltrane gestanden hat. Doch ich bin sicher, daß wir alle diese Einflüße assimiliert haben. Und das macht es vielleicht erst interessant, über uns, oder jede andere Band, zu sprechen, nämlich darauf hinzuweisen, was unsere Musik von all den Leuten unterscheidet, die uns irgendwann einmal beieinflusst haben.

Entschuldigung, aber gibt es denn auch nur einen Popmusiker, der als Musiker an Coltrane herankäme?

In technischer Hinsicht ganz sicher nicht. Doch die guten Popmusiker besitzen Dinge, die Coltrane nicht hat... und umgekehrt. Ich persönlich würde niemals sagen, daß ich lieber als Coltrane jede Popgruppe hören möchte. Ich höre mir Coltrane beinahe jeden Tag an. Sehen Sie, Sie Idiot, ich sehe einfach nicht ein, warum es immer diese exklusive Auswahl geben muß. Jeder versucht doch nur sein Urteil im Hinblick auf exklusive Vorlieben aufzubauen.

Was halten Sie von jenen Aussprüchen, die es heutzutage gibt, Aussprüche, die ich für voreilig halte, wonach Popmusik eine komplette Reflektion unserer Zeit sein soll, und Popsänger ihre besten Interpreten?

Das ist entweder trivial oder falsch - wie McIntyre sagen würde. Entweder beweist man tautologisch mit den Mitteln der retrospektiven Kritik, daß zu allen Epochen der Künstler seine Zeit reflektiert hat, daß er keine andere Wahl hat, oder aber es ist einfach falsch, weil nämlich die Leute, die man in der Popmusik trifft, ganz sicher keinerlei Motive haben, die Zeit in der wir leben auszudrücken.

Doch einige von diesen Leuten behaupten das allerdings von sich selbst.

Auch Leute in anderen Bereichen tun das haufenweise. Wir alle überschätzen unsere eigene Bedeutung, und sicher ist das häufig sogar lebensnotwendig. Wenn Du nicht von Dir annehmen würdest, daß Du etwas Wichtiges tust, würdest Du es doch sein lassen. Auch das ist etwas Unumgängliches.


       
     
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