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Canterbury Tales - Rolling Stone N° 10 - Oktober 2007
CANTERBURY TALES
Wir blenden langsam über zu einem jungen blinden Passagier auf einem Schiff, das aus dem Hafen von Melbourne ausläuft... Allen hatte seine Heimat 1960 verlassen und geschworen, er werde nie zurückkehren. "Die töteten die Aborigines immer noch wie Kängurus", sagt er gequält. "Diese Rednecks aus dem hintersten Norden sahen da keinen Unterschied. Es war ein grauenhaftes Klima, über das heute noch meist geschwiegen wird. Und kaum komme ich in Paris an, sitze ich neben einem Klavier, an dem Bud Powell spielt." Allen listet die Jazzidole auf, die er in Paris sah: Mingus, Monk, Dolphy, Rollins...
Er trampte nach England und landete als Mieter im Wellington House in Canterbury. Diese Kreativinsel gehörte der Rundfunksprecherin Honor Wyatt und ihrem zweiten Mann, dem Psychologen George Ellidge. Als Bohemians alter Schule hatten sie Verbindungen zum Dichter Robert Graves und dessen Künstlerkolonie in Deya auf Mallorca. Allen freundete sich sofort mit ihrem frühbegabten 15-jährigen Sohn Robert an. "Wir hatten die gleichen Platten, also sprachen wir automatisch dieselbe Sprache", sagt er über den zukünftigen Soft-Machine-Drummer. "Er war damals ein Wunderkind - malte, spielte Klavier und so weiter. Geistig war er schon genauso weit wie ich, was mir jetzt nicht besonders schmeichelt, aber er war einfach sehr weit für sein Alter."
Während andere von Skiffle träumten, waren Wyatt und seine Schulfreunde Hugh und Brian Hopper und Mike Ratledge eindeutig experimentell drauf. Hugh Hopper hörte Omette Goleman, erkundete die Basslinien von Charlie Haden und erinnert sich an einen Wyatt-Haushalt voller eklektischer Geräusche, von Bartok bis Be-bop, Strawinsky bis Varese: "Sagen wir so - es war klar, dass Robert kein Bankangestellter werden würde." Hugh, Brian und Steve bastelten in den frühen 60ern einfache Bandschleifen und suchten im Radio nach obskurem Jazz auf AFN oder BBC Third. "Da lief noch viel Avantgarde, im Gegensatz zu heute", sagt Hopper spitz. "Aber mit der Ankunft von Daevid Allen wurde Jazz viel zugänglicher für uns. Er brachte ungefähr 500 bedeutende Platten mit - Monk, Mingus, Miles, Cecil Taylor und so weiter —, die dann zwischen uns rumgingen.
Auch wenn sie selbst kulturell alles andere als rückständig waren, geben doch alle seiner künftigen Mitstreiter Allen als die galvanisierende Kraft an. Bandschleifen? Dieser Mann hatte schon Schleifen mit dem Meister aller Schleifen gemacht, mit Terry Riley. "Die waren alle im 16/17tel-Talk", reflektiert Allen. "Ich war schon der erfahrende Traveller, ihr großer Beatnik-Bruder, also nahmen sie mich zum Vorbild. Was später natürlich gegen mich arbeitete", seufzt er. "Man muss seine Vorbilder immer töten. "
Da waren's nur noch Drei: Ayers, Ratledge und Wyatt
(oben, v.l.) tourten 1968 mit der Jimi Hendrix Experience
(r.) durch die USA. Kevin Ayers stieg anschließend aus
und wurde durch Hugh Hopper ersetzt (r.u.)
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Aus Nächte langen atonalen Exzessen im "Wellington House" und bei Hoppers gleichermaßen toleranten Eltern entwickelte sich schließlich ein prägnanter, lokaler Sound. Später wurde ein Mythos daraus, dass künftige Mitglieder von Soft Machine und Caravan mal dieselbe Postleitzahl hatten. Mike Ratledge winkt ab: "Das war nur ein geografischer Zufall." Hopper stimmt zu: "Regelmäßig fragen mich irgendwelche deutschen Journalisten nach der ‘Canterbury-Schule’, und rückblickend klingt das bestimmt toll. Aber in Wahrheit war Canterbury ein kleines konservatives Städtchen, in dem nicht viel passierte. Es gab ja bis Ende der Sechziger nicht mal eine Universität."
In dieser Phase versuchten sich Allen, Hugh Hopper, Wyatt und Ratledge als Jazzband. Sie ergatterten ein Engagement in einem Londoner Club, aber nachdem sie doch etwas schräger klangen als Oscar Peterson, wurden sie nach vier Abenden vor die Tür gesetzt. Sie spielten auch einen Gig am "Institute of Contemporary Arts" mit Burroughs und Gysin und einen Jazz & Poetry-Abend im "Marquee", dessen wenig schmeichelhaftes Ergebnis auf CD erhältlich ist ("Live 1963", auf Voiceprint), samt angenehm selbstironischer Sleevenotes von Allen.
Als Allen aufging, dass er kaum der nächste Charlie Christian oder Wes Montgomery würde, beschloss er, Vollzeitdichter zu werden - und machte sich mit seinem Freund Kevin Ayers auf den Weg zu Robert Graves'Haus in Deya. Er schwärmt von Nächten mit Gitarren und Gedichten und von der kostenlosen Logis. Bei einem dieser regelmäßigen Inselaufenthalte begannen sie vom Pop zu träumen. "Kevin Ayers hatte ein paar Beatles-Platten und ‘Still I'm Sad’ von den Yardbirds. Wir nahmen Acid, und ich dachte: 'Mensch, vielleicht kann ich ja das, was ich früher gemacht habe, einfach Pop nennen und doch meinen Lebensunterhalt verdienen.' Aber dafür musste ich meine Gitarre erst mal der Rock'n'Roll-Sprache anpassen."
Die Sache hatte nur einen Haken: Allen hasste Rock'n'Roll. Bis heute trägt er auf der Bühne ein T-Shirt mit einem Bild von Elvis, unter dem "Dead Redneck" steht. "Buddy Holly, 'Rock Around The Clock', das ganze Zeug - ich hasste es", sagt er trocken. Ratledge empfand ähnlich: "Es interessierte uns eher als kultureller Kick denn als musikalischer. Eine Band gründen - das war die Lizenz zu tun, was immer man wollte, und dem Ganzen dann einen verkaufsträchtigen Namen zu geben. Pop-musik. Als wir anfingen, war Kevin der Einzige mit einer Pop-Perspektive."
Im Fernen Osten aufgewachsen, kam der 17-jährige Ayers 1961 nach Canterbury. "Man hatte mich von London da hingeschickt, nach einer Drogenrazzia. Ein Polizist griff mir in die Tasche, zog einen Klumpen Hasch raus, den ich mir nie hätte leisten können, und sagte: 'Hallo, was haben wir denn hier?' Sie schickten mich für zwei Wochen ins Erziehungsheim. Als der Fall vor Gericht kam, wurde er mangels Beweisen eingestellt, und der Richter sagte, ich solle London verlassen, weil es ganz offensichtlich ein schlechter Einfluss für mich sei." Und wie landete der junge Kiffer dann bei der Avantgarde von Canterbury? "Ich hatte von Musik keine Ahnung. Alles, was ich kannte, war 'The Sound Of Music' und chinesischer Pop noch aus Malaya. Zu Daevid und den anderen zog es mich, weil sie einfach vielseitigere Interessen hatten als irgendwer sonst dort. Daevid war ja ein Schock für das System, er hatte skandalös alternative Ansichten. Ein Original. Allerdings stand er damals mehr auf Lyriklesungen als auf Songs - und ich hasste Lyriklesungen. "
Im Wein trinken und feiern schon geübt, hatte Ayers seine erste musikalische Canterbury-Kollaboration als Bassist und Gitarrist der semilegendären Wilde Flowers. "Der Name hatte nichts mit Flower Power zu tun", erklärte Wyatt dem Autor Jonathon Green. "Wir lebten auf dem Land, und Hugh Hopper hatte ein Buch, das eben Wild Flowers hieß. Er hat sich das ausgedacht, glaube ich." Wie üblich gab es kein großartiges Konzept - künftige Mitglieder von Caravan und Soft Machine kamen und gingen nach Laune. Ayers, Wyatt und Hugh Hopper reisten zwischendurch auch einfach los und schlossen sich Allen in Paris oder Mallorca oder Marokko an - wo der Straßenmusikerhut gerade hinfiel. Ratledge blieb in Oxford und machte seinen Bachelor. Brian Hoppers Compilation von Probemitschnitten und Demos der Wilde Flowers, 1994 veröffentlicht, enthält einen eklektischen Mix aus Soul, Jazz, und Avantgarde-Pop, den Sound von gleich mehreren Bands auf Identitätssuche. Und doch sind alle frühen Softs-Motive erkennbar: die skurillen Texte und eckigen Arrangements der Hopper-Brüder, Ayers eigene klar strukturierte Songwritingkunst, Wyatts seltsamer, beseelter Gesang.
"Wenn ich diese Tracks heute höre, kann ich den Einfluss der Zombies erkennen", sagt Hopper. "Und den der English Birds, mit Ron Wood: drei Krachgitaren, viele Akkordwechsel. Eine der ganz großen vergessenen Bands." Aus Allens etwas distanzierterer Perspektive war es alles etwas zu amtlich. "Die Wilde Flowers litten unter dem Kollegenrespekt-Syndrom: Damals war es für jede Band de rigeur, 'Papa's Got A Brand New Bag' mit dem korrekten Gitarrensound und dem richtigen Feeling spielen zu können - aber sie kriegten das nicht hin", lacht er.
Im Sommer 1966 nahmen Allens Beatcombo-Pläne, die er im Romilar-Nebel der Balearen geschmiedet hatte, langsam Gestalt an. Drei Tage Acid-getränktes Chaos mit einem Clubbesitzer aus Tulsa namens Wes Brunson kulminierten darin, dass Brunson Ayers und Allen einen großen Teil seines Vermögens versprach, wenn sie damit den love vibe im Zeichen des Wassermanns verbreiten würden. "Aber gern", sagten sie. "Wir brauchen Instrumente, Verstärker und einen Raum zum Proben." So entstand das Quartett Mr Head, das aus Ayers, Allen, Wyatt und Gitarrist Larry Nolan bestand. Die Band beteiligte sich bei Beat-Wettbewerben von Melody Maker und dem Piratensender Radio London, und die Agenten des Musicbiz horchten sofort auf. Mr Head spielten kurz mit dem Gedanken, sich in Nova Express umzubenennen, bevor sie sich dann doch bei einem etwas bekannteren Burroghs-Roman bedienten. Ratledge kam aus Oxford. Soft Machine war geboren.
Wyatt erinnert sich: "Wir tröpfelten nach London und formierten uns neu, einer nach dem anderen. Daevid Allen kannte Kevin Ayers, der Bass spielte und Songs schrieb. Kevin wiederum kannte das Büro der Animals, wo Hilton Valentine und Chas Chandler schon als Manager arbeiteten, und die nahmen uns auf der Basis von Kevins Songs unter Vertrag. Sie wollten was Kommerzielles. Chas suchte immer nach Slade, und irgendwann fand er die ja auch - in der Zwischenzeit musste er sich eben mit Leuten wie uns und Jimi Hendrix rumschlagen. Kevin besorgte uns den Deal. Er mochte Bossa Nova und Calypso; Ray Davies und die Kinks, die solche Elemente schon früh benutzten, hatten ihn stark beeinflusst."
Bei Chandler unter Vertrag, verbrachten die Softs das zweite Halbjahr '66 mit Demoaufnahmen. Zusammen mit Pink Floyd spielten sie wegweisende Underground'Shows bei der "Notting Hill Free School" und im "Roundhouse". Wie Pink Floyd bevorzugten sie auf der Bühne die Improvisation. Im Gegensatz zu Pink Floyd fehlte ihnen allerdings ein skurriler kleiner Song über einen Transvestiten, der sie in die Popcharts katapultiert hätte. "Auf der ersten Soft-Machine-Single (‘Love Makes Sweet Music') hört man den ganzen Gruppendruck damals", sagt Allen über ein Debüt, das fast klang wie Simon Dupree — wäre da nicht der hohe, flehende Gesang von Wyatt gewesen.
"Ich schrieb den Song in einem maroden Hotel in Hamburg", erinnert sich Ayers, "nachdem sie uns aus dem ‘Star Club' rausgeschmissen hatten. Ich mochte früher wie heute richtig gute Popsongs, und ich fand, mit ‘Love Makes Sweet Music' hatte ich einen hingekriegt. Hätten wir einen guten Produzenten gehabt, uns eine Backingband geleistet und dann auch noch den Sänger ausgewechselt... (er bricht in Gelächter aus), dann hätte es ein Hit werden können. Pink Floyd waren damals unsere Rivalen, und als ,’Arnold Layne' rauskam, dachte ich: ‘Fuck, ist das gut!' Ihre frühe Sachen entfachten eine Manie, während bei uns nie etwas manisch war, außer vielleicht in kurzen Momenten auf der Bühne. Wir waren wohl alle zu logisch, zu clever. Nie richtig spontan und entfesselt."
"In den Medien waren alle überrascht, wie intelligent wir seien", sagt Allen. "Ein Typ von der BBC war erstaunt, dass Mike tatsächlich aus Oxford gekommen war, um in einer "Popband' zu spielen."
Bald wurden die Softs einem anderen Management-protegé Chandlers vorgestellt: Jimi Hendrix. "Kevin kam von Mike Jeffreys Büro in der Wardour Street Zurück", erinnert sich Daevid Allen, "und sagte: ‘Hey, kommt mal und schaut euch diesen unglaublichen Gitarristen an. Er ist besser als Jeff Beck.' Und Jeff Beck war mein Lieblingsgitarrist!"
Wyatt: "Hendrix war ja für viele Leute wahnsinnig wichtig. Für mich auch - und wenn nur deshalb, weil er Mitch Mitchell am Schlagzeug so viel machen ließ, und das gab mir Raum für das, was ich am Schlagzeug machen wollte. Wir verwendeten viele Jazzideen, für die in dem eingeschränkten Takthalte-Zeug, das ich bis dahin gespielt hatte, kein Platz war. Es war das Gegenteil von dem, was Nick Mason bei Floyd machte: Er war ein Metronom, und genau das brauchten sie. Für elektronischen Rock war das der passende Ansatz - aufgeräumt, sparsam. Leute wie ich und Mitch spielten wahrscheinlich zu viel, aber damals fanden wir das aufregend."
Im Frühling '67 bekamen Soft Machine einen Termin wochentags im "Speakeasy". Allen schwärmt von unbegrenztem Getränkekonsum und Endlos-Jams mit Hendrix. "Ich hab ‘Purple Haze’ das erste Mal dort unten gehört", staunt er, "und es klang mir wie klassische Musik. In den Charts konnte ich mir das nicht vorstellen. Ich meine, wie sollten die Charts so was je unterbringen?"
Während die Top Ten sich tatsächlich in der Lage erwiesen, den "wild man of rock" unterzubringen, war das UK von den Softs weniger begeistert. Sobald sie London oder die Uni-Szene verließen, mussten sie - wie auch Pink Floyd - fest-stellen, dass in der Provinz ein ganz anderer Zeitgeist herrschte. Immer mit den perfekten Kontakten gesegnet, schlossen sich Soft Machine nun dem Riviera-Jetset an. Im Sommer 1967 spielten sie eine Reihe von Happenings in Südfrankreich, bei denen die Creme der Pariser Hautevolee erschien: Bardot, Delon, Godard. "In den Augen der Pariser hob uns das für die nächsten paar Jahre auf eine Ebene mit den Beatles und Stones", ist sich Allen sicher. Für Ayers war der Gig in St.Tropez ein unwiederholbarer Moment musikalischer Erleuchtung: "Die besten Ideen hat man doch, wenn man naiv ist. Die frühe Band hatte etwas Magisches, und da sollen Robert und Mike mal versuchen, mir das Gegenteil zu erklären. Später wird man sicher raffinierter, aber inhaltlich wird's deswegen kaum besser."
Die Euphorie von St.Tropez hielt nicht lange. Bei der Rückkehr nach England wurde Allen in Dover die Einreise verweigert. Die Begründung war ein abgelaufenes Visum, aber in Wahrheit hatten die Zöllner einfach eine unerwünschte Person erkannt. Der australische Kiffer wurde nach Frankreich zurückgeschickt. Allen ist bis heute nicht ganz sicher, ob er aus der Band fiel oder doch eher gestoßen wurde. Er war immer mehr Katalysator als Musiker gewesen (sein Spiel auf den frühen Soft'Machine-Demos ist, höflich gesagt, etwas unfokussiert), und wenngleich er betont, es sei "befreiend" gewesen, "aus dem Land geworfen zu werden, das Beste, was mir passieren konnte", und aufgeregt von Paris im Jahr 1968 erzählt, so hat er doch ganz offenkundig das Gefühl, dass der Grenzvorfall dem Rest der Band gut in den Kram passte. Der Abschied von
ihrem großen Beatnik'Bruder markiert das Ende von Soft Machine Phase eins. "Ich nahm die Sache erst richtig ernst, als Daevid draußen war und wir nur noch ein Trio waren", räumt Ratledge ein. "Erst da begann ich für die Band zu schreiben."
Während einer Pause ihrer ersten großen US'Tour im April 1968, ein ganzes Jahr nach "Piper At The Gates Of Dawn", konnten sie endlich ihr erstes Album aufnehmen. Produzent Tom Wilson hatte mit Dylan gearbeitet und beim Debüt von Velvet Underground. Doch trotz dieser Referenzen und einiger großartiger Stücke entstand ein lebloser, undynamischer Mix. "Wir fingen mit ein paar sehr guten Ideen an", räumt Ayers ein, "aber dieses Album war amateurhaft, schlampig, schlecht produziert - ein Alptraum, wenn ich heute zurückblicke. Wilson telefonierte ständig nur mit seinen Freundinnen. Wahrscheinlich hielt er uns für einen Haufen kleiner weißer Stinker, die diese verkopfte Katzenmusik spielten."
Das Album mit dem auffälligen Drehscheiben-Cover erschien schließlich im November 1968 auf dem Label Probe. Einige Tracks auf "Soft Machine" waren aus Material aus den "Wellington House" Tagen adaptiert. Die "head is a nightclub"- Zeile in Ayers bahnbrechendem "Why Are We Sleeping" entstammte einem Jazzgedicht von Daevid Allen. Der vielleicht schönste Moment auf dem Debüt war Ayers Instrumental "Joy Of A Toy" (nach einem Track von Ornette Coleman betitelt), Später für Ayers' Solodebüt reaktiviert.
"Soft Machine" war während einer Tour mit Hendrix in einer einzigen, viertägigen Session aufgenommen worden. Im Gegensatz dazu nahm Hendrix sein ausuferndes Meisterwerk "Electric Ladyland" während desselben Konzertmarathons über sechs entspannte Monate verteilt auf. "Im ersten Abschnitt dieser Tour mit Hendrix gab es Momente reinster Magie", sagt Ayers. "Ich erlebte Hendrix als sehr freundlichen, sehr melancholischen Typen. Er wurde emotional wie finanziell über den Tisch gezogen, und er musste eine enorm dicke chemische Rüstung anlegen, bevor er auf der Bühne zu Jimi Hendrix werden konnte."
Die Tour, die sich über den größten Teil von 1968 hinzog, hätte die Softs fast endgültig getrennt. "Im zweiten Teil der Tour wurde ich Makrobiotik-Fanatiker", erinnert sich Ayers. "Ich trank nicht mehr, rauchte nicht mehr, und das vertrug sich mit der Tourneeroutine überhaupt nicht. Einen zweistündigen Gig übersteht man nun mal nicht mit einem grünen Apfel, einem Glas Wasser und einer Schale Reis."
Hugh Hopper war zu dem Zeitpunkt der Roadie der Band. "Wenn ich heute zurückblicke, denke ich: Toll, ich war mit Hendrix auf Tour", lacht er. "Dabei hab ich von der Musik nicht viel mitbekommen. Damals hatte man ja keine 16 Spezialtrucks so wie heute. Da waren nur ich und Hendrix' Roadie mit einem LKW - immer am Beten, dass wir rechtzeitig zur nächsten Halle kamen."
Ayers war nicht weniger erledigt. Er floh nach Ibiza, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. "Mike und Robert waren musikalisch ungleich versierter als ich, und ich glaube, meine Schlichtheit langweilte sie", sagt er über seinen Abgang. Ich lernte Terry Riley und Gil Evans in New York kennen, und mir gefielen auch
die ganzen Jazzstücke, die Daevid und Robert mir vorspielten, aber das überstieg alles mein musikalisches Verständnis, und ich hatte auch kein Interesse, irgendwas aus reinem Selbstzweck im 19/7tel-Takt zu spielen. Diese 'Fusion-Musik', oder wie immer man das nannte, gefiel mir auch nie. Mir waren der Jazz, wie er am Anfang klang, und der Rock, wie er am Anfang klang, viel lieber. Fusion schien den Musikern mehr Spaß zu machen als den Zuhörern. Leute, die sich gegenseitig ihre Virtuosität um die Ohren hauten, um zu demonstrieren, wie kompliziert sie sein konnten." Er lacht hämisch. "Also ging ich mit meiner Schlichtheit anderswo hin und verlor diese Familie. Da ich damals in einem sehr klaren spirituellen Zustand war, bereitete mir das keinen großen Kummer. Es traf mich erst später, dass ich diesen Leuten nicht mehr nah war."
Ayers schenkte seinen Bass Mitch Mitchell ("Solche Sachen mach ich heute noch: ,Nimm mein Haus, mein Auto, meine Frau.‘Ich brenne die Brücken hinter mir ab.") - Soft Machine lösten sich quasi auf. Ratledge war nach der US-Tour ähnlich ausgebrannt wie Ayers. Wyatt steckte in Los Angeles mit Hendrix zusammen und hegte vage Pläne für eine Solokarriere. Aber sie waren vertraglich verpflichtet, Probe Records ein zweites Album abzuliefern. Ayers wollte seine sonnige Zuflucht nicht verlassen, also holten Ratledge und Wyatt Hugh Hopper als permanenten Ersatz.
Beginnend mit Wyatts Einführung in "the official orchestra of the college of pataphysics" und einer schülerhaften Wiedergabe des britischen Alphabets, wurde aus dem resultierenden Pflichtalbum ein Canterbury-Klassiker. Voller selbstmythologisierender kleiner Anspielungen nimmt uns "Soft Machine Volume 2" mit zurück in eine Zeit, als Pere Ubu noch eine literarische Figur von Alfred Jarry war und keine Band aus Cleveland. Daevid Allen beschrieb mir die von Jarry erfundene Pataphysik als "Schöpfung eines spirituellen Manifests in absurder Form, indem man ein ernstes Thema in eine absurdistische Struktur versetzt" - etwas, was er mit seiner späteren Band Gong zur Kunst erhob. Ayers wandte das Prinzip auch in seiner Arbeit nach Soft Machine an, vermutlich zum Nachteil seiner Karriere. Gebeten, die Wirkungsweise der Pataphysik genauer zu erklären, spricht Ratledge vage von der "Wissenschaft des Unmöglichen" und davon, "die Prämissen wissenschaftlicher Gewissheiten zu pervertieren". Und wie haben Sie das auf die Musik übertragen? "Haben wir doch gar nicht. Nicht ansatzweise. Soll das ein Witz sein?" Er schüttelt sich vor angemessen absurdistischem Gelächter.
Die meisten Tracks auf "Soft Machine Volume 2" gehen in einander über—im Jazz damals ein durchaus übliches Stilmittel, wobei Robert Wyatt den
Soft-Machine-typischen Einsatz der Durchgängigkeit später eher als Verteidigungsmechanismus gegen feindseliges Publikum rechtfertigte: Ohne Pausen kann man nicht so gut buhen. Aber um 1970 wurden derartige Maßnahmen zunehmend unnötig. Im Sommer dieses Jahres, und vermutlich auf der Höhe ihres Ruhms bei den Kritikern, wurden Soft Machine eingeladen, bei den hochkulturell respektierten "Proms" in London zu spielen. Sie waren kein Haufen hirniger Langhaariger mehr, die ihrem Publikum
den Rücken zuwandten - jetzt hatten sie Prestige. Ratledge gab sich einmal mehr typisch ungerührt. "Wir hatten vorher schon zweimal in der Albert Hall gespielt. Es war einfach ein Gig von vielen. Man zeigte sich damals nie von irgendetwas überrascht. Die Organisation war allerdings ein Alptraum. Das Equipment hing in Spanien fest, und einen ordentlichen Soundcheck gab's auch nicht."
Beunruhigender noch: Der Proms-Auftritt übertünchte ernsthafte Differenzen innerhalb der Band. Die Veröffentlichung ihres Doppelalbums "Third" kurz vor dem Albert-Hall-Gig zeigt eine offenere Jazz-Ausrichtung. Von der Triobesetzung fühlten sie sich zunehmend eingeengt, und so wurde die Band nun um Vertreter der aufkeimenden englischen Jazzrockszene wie Elton Dean, Lyn Dobson und Nick Evans verstärkt. Das Album, in mancher Hinsicht die Kulmination vieler maßgeblicher Impulse von Soft Machine, war größtenteils instrumental und enthielt ausgiebige Solo-und Ensemble-Jams.
Es gab eine Ausnahme: Wyatts klassische Montage übers Leben von einem New Yorker Hotelzimmer aus gesehen, "Moon In June" - bei dem sich die anderen allerdings geweigert hatten, mehr als marginal mitzuwirken. Das traf Wyatt hart - ein wesentlicher Grund für seinen späteren Ausstieg aus der Band. Er war immer schon der extrovertierteste Softmaschinist gewesen - er trommelte wild mit wehenden Haaren, während Hopper und Ratledge steif über ihren Instrumenten kauerten - und trieb immer einsamer in einem Meer intellektuellen Gefrickels. Um die Schranken zu sprengen, spielte er damals nebenher bei Keith Tippett's Centipede, Kevin Ayers And The Whole World oder dem Spontaneous Music Ensemble.
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Während die Band (I. mit Ratledge, Hopper, Wyatt und Elton Dean) immer mehr
zum Jazzrock abdriftete, fühlte sich Wyatt zunehmend deplatziert.
Unter seinen
kopfbetonten Kollegen galt er als unberechenbare Diva. |
Ich erinnere Hugh Hopper an eine Anekdote, wonach ein puristischer Progfan um 1970 hinter die Bühne kam, um den Softs zu einem tollen Auftritt zu gratulieren, und dabei lästerte, eine Woche zuvor hätten die Zuschauer Geno Washington And The Ram Jam Band ertragen müssen. Wyatt habe geantwortet: "Wenn wir könnten, würden wir auch so spielen." "Oh, unbedingt", bestätigt Hopper. "Ich weiß noch, wie Robert mal Phil Chen traf, den Bassisten von Jimmy James And The Vagabonds, und wie er von den Temptations'Basslinien begeistert war, die Chen spielte. Aber Robert bezog auch einfach gern Gegenpositionen: Wenn die ganze Band freaky und avantgardistisch war, dann schwor er prompt einen Monat lang auf Steeleye Span, nur wegen der Wirkung, die das hatte."
Kurz nach dem Proms-Gig nahm Wyatt selbst sein Soloalbum "End Of An Ear " auf. Laut den Linernotes, die er für das 97er-Reissue des Albums schrieb, beschleunigte das seinen Ausstieg bei den Softs. "Vielleicht wurde ich - und man hat mir nie gesagt, warum - kurz danach von denselben Leuten aus meiner Band geworfen, die ursprünglich ich mal eingeladen hatte mitzumachen", bemerkte er.
"Das war viel komplizierter als Kevins Ausstieg, der ganz freundschaftlich verlief ", räumt Ratledge ein. (Es hatten seither sogar sämtliche Softs nochmal zusammengefunden, um auf Ayers'erstem Soloalbum zu spielen.) "Aber nach der Tour mit Hendrix waren die Dinge zwischen Robert und allen anderen polarisiert. Hugh und ich verfolgten eine vage jazzorientierte Richtung. Robert war heftig dagegen, obwohl er ja ein leidenschaftlicher Jazzfan war. Aber er hatte klare Vorstellungen von Pop'musik einerseits und Jazz andererseits. Ich glaube, er hatte wie Kevin die konzeptionelle Entscheidung getroffen, dass Pop Pop bleiben sollte, und Jazz Jazz."
"Die ganze Situation in den USA wurde sehr kompliziert", weiß auch Hopper. "Manchmal stand Robert von seinem Schlagzeug auf und ging, weil ihm nicht gefiel, was wir spielten oder geschrieben hatten. Es gab aber auch Abende, an denen wir uns hinter seinem Rücken über ihn lustig machten. Es war tatsächlich so schlimm geworden. Mike und ich könnten Robert nicht leiden und er uns auch nicht. Wir waren eben kühl und kopfbetont, während er sehr offen und impulsiv war. Bei einem recht alkoholisierten Abend im "Ronnie Scott's" sagte er zu jemandem: 'Ich wünschte, ich fände eine neue Band.' Und wir anderen sprangen alle auf und sagten: 'Prima, nur zu!' Robert wurde definitiv vertrieben aus der Band, die für ihn seine Band war. Und darüber scheint er heute noch genauso verbittert wie eh und je."
Soviel habe ich erfahren, als ich Wyatt wegen eines Beitrags zu diesem Artikel kontaktiere. Zurück kommt eine Postkarte mit seiner typisch kindlichen Kritzelschrift und schiefen Diktion. "Ich habe immer noch Alpträume - auch im wachen Zustand", schreibt er. "Ich träume, mein Ausschluss wäre nur eine vorübergehende Laune gewesen, und ich würde wieder in die Herde aufgenommen. Dann wache ich auf. Wie schlimm meine Deportation aus SM für mich war? Tja, als ich mir das Kreuz brach, kam ich leichter damit klar. So schlimm."
"Keine zwei Leute in der Band hatten dasselbe im Sinn — deswegen war sie so eigenständig, und deswegen ging sie nach ein paar Jahren auch auseinander", erinnerte sich Wyatt bei einer anderen Gelegenheit. "Im Grunde war es ein anhaltender Prozess des Zerfalls, dass wir immer neue Leute dazuholten, um die Lücken zu füllen. Was in den 60ern selten war - die meisten Bands waren ja recht stabil. Aber wir bastelten ständig rum und warfen uns gegenseitig raus oder liefen davon, bis irgendwann alle Falten ausgebügelt waren und eine gewöhnliche britische Jazz-rockband daraus wurde. Ich weiß nicht, was am Ende passierte. Irgendwann hörte ich nicht mehr hin. Ich hörte schon nicht mehr hin, als ich noch dabei war. "
Rob Chapman
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